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Der Tik­Tok-Trend „Book­Tok“ hat den Buch­markt in Bewe­gung gebracht und eine Lese­begeis­terung aus­gelöst, die Mil­lio­nen erre­icht. Doch das let­zte Kapi­tel ist noch nicht geschrieben: Wohin führt uns dieser Hype wirk­lich? Ein Kommentar.

 

„Von allen Wel­ten, die der Men­sch erschaf­fen hat, ist die der Büch­er die Gewaltigste.“

Der deutsche Dichter, Schrift­steller und Jour­nal­ist Hein­rich Heine prägte diesen Satz und sollte damit auch 2024 noch recht behal­ten. Seit mehr als vier Jahren ist “Book­Tok” auf dem umstrit­te­nen Kanal zu find­en. Ein Trend, bei dem Men­schen Büch­er bew­erten, empfehlen, ihre Leseer­fahrun­gen teilen und bes­timmte Werke durch kurze, emo­tionale Videos zu Best­sellern machen. So ein­fach wie genial. Während das Phänomen selb­st erstaunlich sta­bil bleibt, sind die gefeierten Inhalte alles andere als beständig. Ein Buch, das auf Book­Tok viral geht, erlebt einen inten­siv­en, aber oft kur­zlebi­gen Hype. Book­tok bes­timmt die Lese­trends und alle ver­trauen und fol­gen ihnen blind.

Literaturvariation? Fehlanzeige!

Anspruchsvolle Lit­er­atur gerät in den Hin­ter­grund und wird von Best­sellern ver­drängt, die nach bewährtem Muster funk­tion­ieren: Oft han­delt es sich um „Young Adult“-Bücher, die auf den beliebten „Ene­mies to Lovers“-Plot set­zen. Dies beschreibt zwei Fig­uren, die sich zunächst has­sen, nur um sich am Ende unweiger­lich ineinan­der zu ver­lieben. Solche Geschicht­en, die immer wieder bekan­nte Klis­chees bedi­enen, lassen wenig Raum für neue Per­spek­tiv­en. Junge Frauen ver­lieben sich oft in den geheimnisvollen, unnah­baren Typ Mann, der zunächst Desin­ter­esse zeigt. Ger­ade in ein­er Zeit, die für mehr Gle­ich­berech­ti­gung kämpft, sind solche Rol­len­bilder ein Rückschritt.

Auswirkungen von BookTok

Auch kleine, lokale Buch­hand­lun­gen lei­den unter Book­Tok. Sie dro­hen auszuster­ben, weil eine ganze Gen­er­a­tion nur an Büch­ern inter­essiert ist, die in großen Buch­lä­den zu find­en sind. Nicht zu vergessen, ist der hohe Kon­sum, den Book­Tok mit sich bringt. Tausende Videos zeigen Bücher­re­gale, die ganze Wände füllen. Der Buchkon­sum erre­icht Reko­rd­w­erte – die Kon­sumge­sellschaft reibt sich die Hände.

Vom Bildschirm zum Buch

Doch die Geschichte ist noch unvoll­ständig. Denn Book­tok bringt auch viele Vorteile mit sich. So erlebt der Bücher­markt seit Beginn dieses Phänomens einen Auf­schwung. Bücher­lä­den sind wieder attrak­tiv und junge Men­schen stür­men zu den Geschäften, um das neueste Book­tok-Buch zu ergat­tern. Davon prof­i­tieren selb­stver­ständlich auch die Buch­hand­lun­gen und steigen auf den Zug mit auf. So gibt es neben den klas­sis­chen Über­schriften auf den Regalen wie etwa “Romane”, “Sach­büch­er” oder “Krim­is” nun auch “Book­tok”. Und wenig über­raschend wer­den diese Regale immer größer.

Durch den neuen Lese­trend wer­den außer­dem nicht immer die gle­ichen Autor*innen oder diesel­ben Ver­lage gekauft. Auf Book­tok zählt nur der Inhalt und die Emo­tion, die ein Buch aus­löst. So ist es möglich, als Schreibbegeis­tert­er über Nacht einen Best­steller zu lan­den, ohne jegliche Erfahrung im Autor*innendasein zu haben. Gle­ichzeit­ig wen­det sich eine ganze Gen­er­a­tion wieder mehr dem Lesen zu und wächst zu ein­er Com­mu­ni­ty her­an, die sich über Lit­er­atur aus­tauscht und Erlebtes mit Gle­ich­gesin­nten teilt, anstatt den üblichen sinnbe­fre­it­en Social-Media-Trends zu folgen.

Let­ztlich stellt sich die Frage, wie nach­haltig dieser Trend für die Lesekul­tur tat­säch­lich ist. Kann Book­Tok den Buch­markt auf lange Sicht bere­ich­ern und das Lesen wieder attrak­tiv wer­den lassen? Oder sorgt es vor allem für kur­zlebige Hypes und die Ver­stärkung von Klis­chees? Das Phänomen bewegt ohne jeden Zweifel eine ganze Gen­er­a­tion und zeigt, dass das Poten­zial für eine lan­gan­hal­tende Lese­be­we­gung dur­chaus gegeben ist.

Foto von Ter­je Sol­lie (pex­els) und Pix­abay; bear­beit­et von Kon­stan­tin Schätz

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