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Die öster­re­ichis­che Kabaret­tistin Lisa Eck­hart ste­ht seit Kurzem in der Kri­tik. Von Seit­en der jüdis­chen Gemein­schaft wer­den ihr anti­semi­tis­che Äußerun­gen zur Last gelegt. 

Lisa Eck­hart ist schon längst keine Unbekan­nte mehr. Bin­nen kürzester Zeit schaffte es die Steirerin in einem Atemzug mit Öster­re­ichs bekan­nten Kün­stlern wie Alfred Dor­fer, Josef Had­er oder Michael Niavarani genan­nt zu wer­den. Zudem ist sie festes Mit­glied im Ensem­ble der Satire­sendung »Nuhr im Ersten« im deutschen Fernse­hen. Öster­re­ich und Deutsch­land hat sie im Griff.

Lisa Eck­hart, bei Auftrit­ten in Ver­sace gehüllt und mit ein­er Kör­per­hal­tung, die Ele­ganz, Gra­zie und Hochnäsigkeit ver­mit­telt, wird schon so als Gesamtkunst­werk gese­hen. Dazu kommt ihre Sprache: so aus­for­muliert und klar, aber doch nicht gle­ich ver­ständlich. Sie ver­langt Bil­dung und Niveau. Um sie zu ver­ste­hen braucht es Hegel, Kant, Fichte, Camus – alle Dichter und Denker, die diese Welt zu bieten hat. Anson­sten hört man nichts weit­er als Phrasen, die eine über­he­bliche Kün­st­lerin von sich gibt. Daher wider­spricht man ihr nicht. Wie sollte man auch eine Diskus­sion mit jeman­den begin­nen, der mit jedem Wort verdeut­licht: ich habe mehr Ahnung als ihr, also schleicht´s euch! Eck­hart erschlägt die Zuhör­erschaft mit ihrem intellek­tuellen Niveau. Darauf etwas zu erwidern, fällt einem schwer.

Nun gibt es doch ein paar Gegen­stim­men. Der Kabaret­tistin Lisa Eck­hart wird Anti­semitismus vorge­wor­fen. Der Anti­semitismus­beauf­tragte der deutschen Bun­desregierung, Felix Klein, und die »jüdis­che All­ge­meine« beziehen sich dabei auf einen Auftritt in der Sendung  »Mit­ter­nachtsspitzen« des öffentlich-rechtlichen Senders WDR aus dem Jahr 2018. Hier fall­en solche Sätze wie: »Am meis­ten ent­täuscht es von den Juden, da haben wir immer gegen den Vor­wurf gewet­tert, denen gin­ge es nur ums Geld und jet­zt plöt­zlich kommt raus, denen geht’s wirk­lich nicht ums Geld, denen geht’s um Frauen, und deshalb brauchen sie Geld.« Oder »Es ist ja wohl nur gut und recht, wenn wir den Juden jet­zt ges­tat­ten, ein paar Frauen auszu­greifen. Mit Geld ist ja nichts gutzumachen«.

Das geschieht im Zuge der dama­li­gen #Metoo-Bewe­gung und die Enthül­lun­gen um Har­vey Wein­stein – Sohn ein­er jüdis­chen Fam­i­lie. Zudem nimmt sie Bezug auf Roman Polan­s­ki und Woody Allen, auch sie haben jüdis­che Wurzeln. Für die Kabaret­tistin Anlass genug, um anfangs Juden im Filmgeschäft und #Metoo zu verbinden. Die Frage ist nun, wenn man Lisa Eck­hart ken­nt, war das zu viel? Und wenn man sie nicht ken­nt, darf das Satire?

WDR nimmt Eckhart in Schutz

Dieser Fall hat mehrere Seit­en, allen voran Lisa Eck­hart. Wer schon ein­mal in einem ihrer Pro­gramme war, stellt sehr schnell fest, dass sie einen sehr speziellen Impe­tus, also Antrieb, hat. Sie bedi­ent sich einem der­ben und mor­biden Sarkas­mus. Sie wehrt sich gegen die »polit­i­cal cor­ret­ness«, sie wider­set­zt sich einem großen »Miteinan­der« und den Heucheleien von »wir sind doch alle gle­ich«. Wieso? Weil aus ihrer Sicht noch lange nicht die Rede von großer Moder­nität sein kann und weil sich unterm Strich noch nichts geän­dert hat. Aus­gren­zung und Diskri­m­inierung ste­hen noch immer an der Tage­sor­d­nung; nur eben verdeckt und im neuen Gewand der  ver­meintlichen »polit­i­cal cor­ret­ness«. Insofern bedi­ent sie sich ein­er harten und direk­ten Sprache. Mit zumeist ein­drucksvoll-abstoßen­den Meta­phern, dass das Lachen im Hals steck­en bleibt. Da soll man zunächst auch nicht wider­sprechen. Das soll man hören. Und schließlich darüber nach­denken. Dieses Gesagte soll wirken.

Diese Begrün­dung führte auch der WDR an. Frau Eck­hart bedi­ene sich der Vorurteile, um auf sie aufmerk­sam zu machen und so ein Umdenken her­vorzu­rufen. Freilich, für sich alleine ist das ein Argu­ment auf recht schwachem Fuß. Zudem betont der WDR, dass dieser Beitrag im Rah­men der Erstveröf­fentlichung 2018 funk­tion­iert habe. Im Nach­hinein und ohne Kon­tex­tu­al­isierung gibt es die aktuellen Stre­it­igkeit­en. Und ja, natür­lich ist es für eine dif­feren­zierte Mei­n­ung wichtig, diesen Auftritt in Gänze und unter den Umstän­den von vor zwei Jahren zu betrachten.

Satire muss an die Grenzen gehen dürfen

Bleibt aber noch immer die Satire. Was sie darf, das wurde schon häu­fig disku­tiert. Das let­zte »Ziegen-Gate« von Jan Böh­mer­mann ist sicher­lich in guter Erin­nerung geblieben. Satire als Kun­st­form darf viel. Und das ist auch gut so. Das sind auch keine Schein­gründe. Die Satire­frei­heit ist ein hohes Gut und wichtiger Bestandteil ein­er kul­turellen Vielfalt. Ger­ade die Satire muss an die Gren­zen gehen dür­fen, wenn es tat­säch­lich darum gehen soll, auf lange Sicht ein Umdenken zu bewirken oder auf Prob­leme in unser­er Gesellschaft hinzuweisen. In diesem Sinne muss sich, wird sich und hat sich die Satire auch ein­er drastis­cheren Sprache zu bedi­enen – wenn es notwendig ist. Die Wirkung wäre ver­fehlt, sollte sich Satire möglichst sozialverträglich und »polit­i­cal cor­ret« aus­drück­en müssen. Diese Kun­st­form muss und will auch gar nicht gefall­en. Sie soll zunächst gehört wer­den. Sie muss wirken. Und im Fall Eck­harts kann man sagen: sie wirkt.

Sie wirkt, wenn wir uns Gedanken darüber machen, ob diese Aus­sagen anti­semi­tisch sind. Sie wirkt, wenn wir uns dadurch Gedanken machen, wo wir als Gesellschaft ste­hen. Wie wir diese Aus­sagen bew­erten, wie wir sie indi­vidu­ell auf­fassen und was wir daraus mit­nehmen. Sie wirkt, wenn wir darüber nach­denken, wie wir gesellschaftliche Grup­pen anse­hen und uns die Frage stellen, ob wir sie über­haupt akzep­tieren. Eine poli­tisch kor­rek­te Satire würde ihre Wirkung ver­fehlen. Wen­ngle­ich sie Gefahr läuft, Altes über­haupt wieder her­vorzu­holen. Genau wie bei dem hier vor­liegen­den Fall.

Ressentiments werden hervorgeholt und gefestigt

Es bleiben die Vorurteile und Klis­chees, die diesen Auftritt bes­tim­men. Immer wieder bezieht sich Eck­hart auf »die Juden«, obwohl sie von Wein­stein, Allen und Polan­s­ki spricht. Sie gen­er­al­isiert. Und wäre das nicht genug, bringt sie diese Eth­niz­ität fast schon selb­stver­ständlich mit sex­uellem Miss­brauch zusam­men. Alles wird in einem Topf gewor­fen und kräftig gerührt. Nur kann man dabei nicht davon aus­ge­hen, dass sich alte Ressen­ti­ments auflösen. Sie wer­den ein­mal mehr her­vorge­holt und in den Diskurs gebracht. Und die Gefahr, dass sie sich set­zen, ist groß. Zudem bedi­ent sich die Kün­st­lerin der untertesten Schublade solch­er Vorurteile. Lachen ist hier Fehlanzeige. Es regiert die Fas­sungslosigkeit. Und ja, man muss ehrlich fra­gen, ob das wirk­lich nötig war.

Bei dem Fall Lisa Eck­hart tre­f­fen sich zwei Wel­ten. Eine von vorn­here­in pro­vokante, freie und poli­tisch unko­r­rek­te Kün­st­lerin trifft auf eine eben­so frei-unko­r­rek­te Kun­st­form. Zu entschei­den, was nun wie gemeint war, wird ein schwieriges Unter­fan­gen. Pauschal wird das nicht gelin­gen. Es kann sicher­lich keine Lösung sein, das Video des brisan­ten Auftritts Lisa Eck­hart zu löschen. Jedem*r muss es zugänglich gemacht wer­den, damit man sich seine eigene Mei­n­ung bilden kann. Das, was aber schon in Ver­gan­gen­heit oft der Fall war, kön­nte auch hier einen Mit­tel­weg darstellen. Ohne in weit­ere Recht­fer­ti­gun­gen abzuschweifen bleibt der Satire und jedem*r Satiriker*in das Mit­tel der Verzei­hung. Darum kann man immer ersuchen, wenn es ange­bracht ist.

 

Quellen:

Engel, Philipp Pey­man (2020): »Juden­hass unter dem Deck­man­tel der Satire«. Online unter: https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/judenhass-im-deckmantel-der-satire/

Frank­furter All­ge­meine (2020): „Geschmack­los und kri­tik­würdig“. Online unter: https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/antisemitismusvorwurf-gegen-kabarettistin-lisa-eckhart-16755654.html

Gasteiger, Car­olin (2019): Jan Böh­mer­mann zieht vor Bun­des­gericht­shof. Online unter: https://www.sueddeutsche.de/medien/erdogan-schmaehgedicht-jan-boehmermann-zieht-vor-bundesgerichtshof‑1.4299639

Weiss, Ste­fan (2020): Kri­tik an Kabaret­tistin Lisa Eck­hart: Juden­witz und N‑Wort-Schmäh. Online unter: https://www.derstandard.de/story/2000117376970/kritik-an-kabarettistin-lisa-eckhart-judenwitz-und-n-wort-schmaeh

Bild: © Franziska Schrödinger

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