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Rey­haneh Malek­shoar ist Fotografin und Fem­i­nistin aus dem Iran. In ihren Bildern set­zt sie sich mit dem Hid­schab, der Ver­schleierung für Frauen, auseinan­der. In einem Inter­view erk­lärt sie, weshalb ihre Bilder als Kri­tik an dem Nach­bar­land Afghanistan zu ver­ste­hen sind.

Name: Rey­haneh Malek­shoar
Geburt­s­jahr: 1988
Aus­bil­dung: Kino-Regie, Teheran Uni­ver­sität der Kun­st
Wohnort: Teheran, Iran
Web­site: http://www.reyhanehmalekshoar.com/
Insta­gram: https://instagram.com/reyhanehmalekshoar?igshid=10ad113v7uqep

Files Magazin: Mit Ihren Bildern behandeln Sie Themen wie Verbote und Restriktionen. Wieso ist Ihnen das Thema so wichtig?

Rey­haneh Malek­shoar: Es gibt viele ver­schiedene Ver­bote über­all auf der Welt. Doch aus Sicht ein­er Fem­i­nistin und mehr noch aus der Sicht eines Men­schen inter­essiert mich am meis­ten, dass Frauen das Recht auf ein Leben haben soll­ten, das für Män­ner ganz nor­mal ist. In eini­gen Län­dern ist das zumin­d­est in einem bes­timmten Aus­maß der Fall – in anderen nicht.

Wie ist das im Iran?

In meinem Land sind die Bemühun­gen um die Gle­ich­berech­ti­gung der Frau weit ver­bre­it­et. Doch es gibt immer noch Morde an Frauen, die im Namen der »Ehre« gemacht wer­den. Frauen wer­den dann als Besitz des Mannes ange­se­hen. Wir lassen uns dadurch nicht ein­schränken. Wir ver­suchen im Iran so zu leben, wie wir es ver­di­enen. In Afghanistan haben Frauen dazu keine Gele­gen­heit. Hier über­schat­ten Ver­bote das Leben von Frauen in so einem Aus­maß, dass sie nicht ein­mal träu­men kön­nen – geschweige denn diese Träume verfolgen.

Was meinen Sie damit, dass sie nicht »träumen« können?

Frauen aus manchen Städten in Afghanistan dür­fen nicht pen­deln. Die Zahl von Kinder­hochzeit­en ist sehr hoch und hat zu ein­er hohen Suizidrate zum Beispiel in Form von Selb­stver­bren­nung geführt. Frauen dür­fen nicht Aut­o­fahren. All diese Ver­bote haben einen Schat­ten über das Leben von Afghanin­nen gewor­fen und das the­ma­tisiere ich.

Das machen Sie mit sehr drastischen Bildern.

Hier würde ich gerne ein Zitat von Kaveh Golestan ein­wer­fen. Er war ein berühmter iranis­ch­er Presse­fo­tograf und Doku­men­tarfilm-Pro­duzent. Golestan hat gesagt: »Ich will dir Bilder zeigen, die wie ein Schlag ins Gesicht sind und deine Sicher­heit erschüt­tern. Du kannst weg­blick­en, das Gerät abschal­ten und deine Iden­tität ver­ber­gen. Aber du kannst die Wahrheit nicht aufhal­ten. Nie­mand kann das.«

Vor allem das Thema Vollverschleierung scheint für Sie wichtig zu sein. Lassen sich Ihre Bilder als Kritik an Burkas und Niqab verstehen?

Abso­lut. Ja. Ich halte die Prob­leme des Hid­sch­abs, also der Ver­schleierung von Frauen, in Afghanistan fest.  Als ich damit ange­fan­gen habe, waren die meis­ten mein­er Mod­els Bekan­nte und Fre­unde von mir. Jedes Mal, wenn ich sie gebeten habe, die Bur­ka über das Gesicht zu ziehen, haben sie sich gefürchtet. Sie haben immer gesagt: »Bitte mach das Bild so schnell es geht. Mir geht es unter der Klei­dung nicht gut.« Das hat mich sehr über­rascht. Die Fotos waren mir sehr wichtig und ich habe sie immer gebeten, es ein­fach auszuhal­ten. Es war mir ein Rät­sel, weshalb sie sich so unwohl gefühlt haben unter der Kleidung.

Wissen Sie es mittlerweile?

Ja. Eines Tages wurde ich selb­st der Charak­ter in meinem Bild. Es war inter­es­sant. In dem Moment als ich die Klei­dung ange­zo­gen hat­te, habe ich dieselbe Furcht gespürt. Es war wie ein Erstick­ungs­ge­fühl. Mein ganz­er Kör­p­er hat geschwitzt und ich wollte die Bur­ka so schnell es geht wieder ausziehen und atmen. Das war nicht son­der­lich angenehm. Ich mag den Hid­schab in dieser Form nicht. Die Men­schen soll­ten leben dür­fen, wie sie wollen. Ich denke aber, dass die Beschränkun­gen von Frauen im Kopf entste­hen und nicht allein in der Ver­schleierung. Es gibt Men­schen, die sich nicht ver­schleiern müssen. Aber in ihren Köpfen sind sie verschlossen.

Manche Frauen empfinden eine Burka als Schutz. Können Sie diesem Argument etwas abgewinnen?

Nein. Ich finde es ist wichtig, die Gedanken von Men­schen zu schützen. Ich kann dem nichts abgewin­nen, den Kör­p­er durch eine Vol­lver­schleierung zu schützen.

In Ihrem Land, Iran, muss man zwar nicht das Gesicht verhüllen, aber es gibt auch eine Kopftuchpflicht für Frauen. Ist es heikel über das Thema im Iran zu sprechen und die Gesetze zu kritisieren?

Es gibt einige Geset­ze im Iran – wie eben beispiel­sweise den Hid­schab. Die Kopf­tuch­pflicht ist im Iran ein biss­chen prob­lema­tisch. Für die Regierung sind wir Teil der Reli­gion. Durch unsere Reli­gion und fol­glich durch die Sichtweise Manch­er fällt es uns schw­er­er, The­men wie Frei­heit auszu­drück­en. Doch die meis­ten Men­schen in meinem Land sehen das nicht so streng. Natür­lich gibt es auch eng­stirnige Men­schen in diesem Land.

Fühlen Sie sich als Künstlerin im Iran eingeschränkt?

Da ich ver­suche sehr kri­tisch zu sein, habe ich Prob­leme meine Kun­st so zu zeigen, wie sie ist. Ich liebe mein Land und es ist mir wichtig hier zu arbeit­en und meine Geschichte zu erzählen. Doch manch­mal ist das schwierig und mein Wun­sch nach Hand­lungs­frei­heit wächst stetig. Ich will nicht, dass mir meine Kreativ­ität weggenom­men wird. Ich ver­suche hier zu bleiben. Doch wenn der Druck weit­er­wächst, kön­nte es eines Tages passieren, dass ich darüber nach­denken muss zu emigrieren.

Ist es schwer ein Land zu lieben, das Sie in Ihrer Arbeit einschränkt?

Bedauer­licher­weise wird immer neg­a­tiv über das Land Iran berichtet. Mein Land ist aber auch die Wiege der Kun­st. Großar­tige Men­schen wie Hafez, Saa­di, Khayyam, Fer­dowsi und Mualana kom­men von hier. In mein­er Arbeit werde ich manch­mal von ihnen inspiriert.

Sie machen nicht nur gestellte Bilder sondern auch Dokumentarfotografie. Was ist die ehrlichere Fotografie?

Doku­men­tar­fo­tografie ist inter­es­san­ter für mich. Ehrlich­er ist die Geschichte hin­ter einem Foto.

Und wie lassen sich Gefühle besser ausdrücken?

Ich habe Film studiert und die meis­ten mein­er Arbeit­en lassen sich auf den Zweig der Doku­men­tar-Filme zurück­führen. Bei meinen Reisen durch den Iran habe ich viele ver­schiedene Eth­nien ken­nen­gel­ernt. Ich habe den Schmerz, die Sor­gen und – am aller­wichtig­sten – die Leben der Men­schen auf der Reise ken­nen­gel­ernt. Es fasziniert mich, uner­wartete Momente festzuhal­ten. Ich liebe Doku­men­tarfilme. Sie sind nichts als die Wahrheit. Das Leben steckt in ihnen.

Auf Ihrer Website haben Sie geschrieben, dass Sie eine »Fotografin ohne Kamera« waren. Was meinen Sie damit?

Mich hat es früher unter­be­wusst zur Fotografie hinge­zo­gen. Doch ich hat­te die Mit­tel nicht, meine Ideen festzuhal­ten. Manch­mal bin ich an ein­er Szene vor­beigekom­men und habe mir gedacht, »wow, das wäre ein gutes Foto«. Doch ich hat­te kein Werkzeug, um das Foto aufzunehmen. Der Kam­er­aaus­lös­er war deshalb lange Zeit in meinem Kopf. Ich habe dann ange­fan­gen Bilder mit meinem Smart­phone zu machen oder ich habe mir eine Kam­era von einem Fre­und geliehen. Auch wenn die Bilder keine son­der­lich gute Auflö­sung hat­ten, hat­te ich die Möglichkeit meine Bilder zu sehen. Meine besten Bilder habe ich mit nur ein­er Auf­nahme fest­ge­hal­ten. Das mache ich heute noch so.

Vielen Dank für das Interview.

Anmerkun­gen vom Autor:

»Journalist*innen wird immer häu­figer vorge­wor­fen, sie wür­den das Inter­view ver­fälschen. Als Journalist*in ver­sucht man, den Sin­nge­halt des Gesagten nicht zu verän­dern. Die Kor­rek­turen dienen dazu, den Text leser­lich zu machen. Auch wir haben das in diesem Inter­view getan. Wir haben Zwis­chen­fra­gen eingeschoben, um Sin­ne­sein­heit­en voneinan­der abzu­gren­zen und Pas­sagen zusam­menge­führt, damit man keine the­ma­tis­chen Dopplun­gen lesen muss. Im Inter­view gestellte Fra­gen, die hin­ter­her als nicht rel­e­vant ange­se­hen wur­den, wur­den weggelassen.«

 

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