Annika arbeitet als medizinische Fachangestellte in einem Klinikum im bayerischen Rosenheim. Der Landkreis am Alpenrand hat laut Robert-Koch-Institut die fünfmeisten Fälle von COVID-19 in ganz Deutschland (1.457 Fälle, 39 Todesfälle; Stand: 11. April 2020). Dies hat massive Auswirkungen auf ihre Arbeit.
Was hat sich durch das Virus verändert in Bezug auf Ihre Arbeit?
Uns betrifft Corona sehr stark, weil wir seit kurzem ein komplettes Corona-Haus sind und damit ausschließlich Covid-Fälle beherbergen. Andere Patienten sind nun in Häusern weit weg untergebracht. Die augenscheinlichste Änderung sind die neuen zahlreichen Hygienemaßnahmen. Natürlich hat man sich auch vor der Pandemie bei Patientenkontakt jedes Mal die Hände desinfiziert. Nun wurden aber zusätzlich noch Schleusen gebaut und wir tragen komplette Schutzkleidung. Die besteht aus Kittel, Haube, Schutzbrille und Maske…
…die Sie häufiger wechseln müssen?
Genau. Aktuell betreue ich 13 Zimmer. Da kann es schon mal vorkommen, dass man sich am Tag um die 30 Mal umziehen muss. Wie oft ich meine Schutzkleidung genau wechsle, habe ich mittlerweile allerdings aufgehört zu zählen.
Und Schutzkleidung ist genug vorhanden?
Auf die Frage habe ich gewartet. Es ist jetzt nicht so wie in Italien, dass wir z.B. gar keine Schutzkittel mehr haben oder wie in Großbritannien, dass wir alternativ Müllsäcke verwenden. Aktuell sind wir gut versorgt, aber mit zunehmender Dauer werden auch bei uns die Bestände knapp werden.
Wie nimmt die Situation Einfluss auf Ihr Leben?
Mein Privatleben habe ich auf absolut niedrige Flamme gestellt. Außer mit meinem Verlobten habe ich zu keinem anderen mehr nahen Kontakt. Meine Familie meide ich komplett, da das Risiko einfach zu groß ist, sie zu infizieren.
Wird sich durch die Pandemie in Bezug auf das Verhalten von Menschen irgendetwas ändern?
Ich denke, dass die Menschen nach Corona und der damit verbundenen Ausgangsbeschränkungen wieder mehr aufeinander achten und dankbarer werden. Kontakt mit der Familie, Verwandten und Freunde – auch die man nicht so oft sieht – wird vielleicht nicht mehr als so selbstverständlich gesehen und mehr geschätzt.
Auch hinsichtlich des Pflegeberufes wird das hoffentlich der Fall sein. Das wünsche ich mir gesellschaftlich und politisch. Ich finde es allerdings schade, dass man sowas erst nach einer Pandemie erkennt.
Danke für das Interview.
Interviews zum Thema Corona:
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Isolation im neuen Leben – Interview mit einem Geflüchteten aus Syrien
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Mit leerem Magen durch die Krise– Interview mit der Betriebsleiterin eines Kulturveranstaltungs- und Gastronomiebetriebs
Bildung in Quarantäne – Interview mit einer Lehrerin
Anmerkung der Autoren:
»Den JournalistInnen wird immer häufiger vorgeworfen, sie würden das Interview verfälschen. Als JournalistIn versucht man, den Sinngehalt des Gesagten nicht zu verändern. Die Korrekturen dienen dazu, den Text leserlich zu machen. Auch wir haben das in diesem Interview getan. Wir haben Zwischenfragen eingeschoben, um Sinneseinheiten voneinander abzugrenzen. Wir haben Passagen zusammengeführt, damit man keine thematischen Dopplungen lesen muss. Wir haben gestellte Fragen weggelassen, die sich bei der Beantwortung als nicht relevant herausgestellt haben.«
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