Der Charaktertest geht weiter
Nach Deutschland verhängt nun auch Österreich einen weiteren Lockdown. Dies wird zur Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft. Ein Kommentar.
War es nicht absehbar? Das kann man sicher fragen, wenn man es nicht sogar schon macht. Nun kommt der zweite Lockdown. Eine Maßnahme, auf die die österreichische Regierung eigentlich verzichten wollte. Niemand macht das gerne, nun ist es unausweichlich. Doch Österreich folgt hier dem deutschen Modell. Es wird ein „Lockdown-light“ oder: ein „Wellenbrecher“.
Ziel ist es nun, das gesellschaftliche Leben herunterzufahren, während Wirtschaft und der Motor der Gesellschaft weiter laufen. Konkret heißt das: Schulen und systemrelevante Betriebe bleiben offen. Einzig die Freizeit wird drastisch eingeschränkt. Dabei gilt es zu akzeptieren, dass Gastronomie, Universitäten und Kultur nicht zu den wirtschaftlichen Säulen zählen. Die Wirte schließen ihre Lokale und die Studentenschaft geht in „distance learning“. Die Kultur macht das, was sie von Anfang an macht: um das Überleben kämpfen.
Viele konnten sich vom ersten Lockdown nicht erholen
Ob hier nicht mit zweierlei Maß gemessen wird? Diese Frage müssen sich die Entscheidungsträger gefallen lassen. Auf der einen Seite geht es um wirtschaftliche Existenzen und persönliche Schicksale. Und für einige Gastronomen werden auch diverse „Hilfszahlungen“ nicht ausreichend sein; haben sie noch immer vom Lockdown im Frühling und den Investitionen in Hygienekonzepte zu tragen. Auf der anderen Seite steht die Bildung. Gerade jetzt zeigt sich die hohe Stellung von Wissenschaft. Und diese Institution zwingt man nun erneut in Knie. Alleine durch ein wirtschaftliches System kann eine Gesellschaft nicht überleben. Es braucht Aufklärung und dafür braucht es Bildung. Aber bei der Anweisung, die Türen der Universitäten geschlossen zu halten, zeigt sich, welchen Stellenwert man diesen einräumt.
Die Kultur kämpft um das Überleben
Die Kultur mit ihren Einrichtungen kämpft. Sie kämpft um das Überleben und das Wahrgenommen-Werden. Schauspiel, Kunst und Kultur haben augenscheinlich das Problem, nicht wirtschaftlich zu sein. Zumindest für die Wirtschaft im größeren Sinne. Aber eines sollte man bedenken: was wäre eine Gesellschaft ohne Kultur? Mögen die Wirtschaftlichkeit nicht groß sein, so ist sie doch systemrelevant. Einmal mehr ist es treffend zu behaupten, Kultur ist nicht alles; aber ohne Kultur ist alles Nichts.
Die Mehrheit muss die Konsequenzen tragen
Zu Beginn dieser Pandemie hat der bayerische Ministerpräsident, Markus Söder, von einem „Charaktertest“ gesprochen. Diese Zeiten offenbaren alle Seiten. Sind alle in den letzten Monaten nachlässig gewesen? Natürlich nicht. Es waren Einzelne aus verschiedenen Bereichen. Und ja, darunter waren gastronomische Betriebe, wie studentische Partys und andere Festivitäten. Wie in einem jeden Zusammenleben üblich, trägt nun die Mehrheit die Konsequenzen für die Versäumnisse Einzelner.
Welche Früchte das trägt, das wird nun von den Charakteren abhängig sein. Aber es zeigt sich auch die andere Seite der Entscheidungsträger. Die ökonomischen Interessen überwiegen in den Entscheidungen. Und welchen Stellenwert den Institutionen zugesprochen wird, das lässt sich nun an den Schließungen erkennen. Der Charaktertest geht für alle weiter. Davon ist niemand ausgeschlossen.
Quellen:
ORF (2020): Ab Dienstag drastische Einschnitte. Online unter: https://orf.at/stories/3187479/
Schulenberg, Jonathan/Ehrlich, Margit (2020): Söder über Corona-Krise: “Charaktertest” für die Gesellschaft. Online unter: https://www.br.de/nachrichten/bayern/soeder-ueber-corona-krise-charaktertest-fuer-die-gesellschaft,RtQCwsD
Stäbler, Marcus (2020): Corona: Kleine Konzertveranstalter kämpfen ums Überleben. Online unter: https://www.ndr.de/kultur/Kleine-Konzertveranstalter-kaempfen-ums-Ueberleben,kuenstler304.html
Bild:
Herzi Pinki, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons